1,3        Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der
Barmherzigkeit und Gott
allen Trostes,

1,4        der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten
können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber
getröstet werden von Gott.

1,5        Denn wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir
auch reichlich
getröstet durch Christus.

1,6        Haben
wir aber Trübsal, so geschieht es euch zu Trost und Heil. Haben wir Trost, so
geschieht es zu eurem Trost, der sich wirksam erweist, wenn ihr mit Geduld
dieselben Leiden ertragt, die auch wir leiden.

1,7        Und unsre Hoffnung steht fest für euch, weil wir wissen: wie ihr an den
Leiden teilhabt, so werdet ihr auch am Trost teilhaben.

 Liebe Geschwister,

 Paulus nimmt seinen Ausgangspunkt in diesem Gedankengang bei Gott.
Gott ist der Vater der Barmherzigkeit und der Gott allen Trostes. Dass der
Apostel Gott als den großen Tröster preist, hat damit zu tun, dass er selbst
Gottes Trost in seinem Leben immer wieder erfahren hat und ihn bitter nötig
hatte.

Paulus hat schwere Auseinandersetzungen hinter sich. Das Verhältnis
zur Gemeinde in Korinth war angespannt. Sie hatte ihn angegriffen und
kritisiert wegen seiner vermeintlichen Schwäche im Reden, Auftreten und
Glauben. Das haben sie bereinigen können, aber Paulus schwingt sich nun nicht
auf zur Pose der Überlegenheit. Das hätten seine Gegner in Korinth gern
gesehen. Souveränität und Ausstrahlung waren genau der Maßstab eines Apostels,
dem Paulus nicht genügte.

Für Viele ist das ja immer noch der Maßstab, dass der richtige Christ
alles Leid im Gebet und in der Kraft des Geistes besiegt, dass es keine
Niederlagen mehr gibt für den, der in Christus ist. Und so treten sie
vollmundig auf mit ihrem Anspruch an sich und an andere. Paulus haben sie nicht
auf ihrer Seite. Denn er tritt nicht als Sieger auf. Vielmehr gibt er sich als
angefochten, trostbedürftig und getröstet zugleich zu erkennen. Was für ein
trostreiches Vorbild: Es tröstet der, der angefochten und schwach selbst auf
Trost angewiesen ist.

Paulus spricht von seinen Leiden und seinen Erfahrungen nicht, weil er
sich für besonderes Beispiel hält. Sondern Erfahrungen des Leidens kennzeichnen
unser menschliches Leben. Traurigkeit und Sorge bestimmen unser Leben. Als
Menschen bedürfen wir es immer wieder, dass wir getröstet werden. Dass uns das
Gefühl vermittelt wird, dass jemand uns zur Seite steht, mit uns fühlt und uns
ein gutes Wort sagt.

Für Paulus ist es nun Gott selbst, der uns diesen Trost zuspricht.
Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes. Diese Aussage begründet er nun
mit dem Leiden und Sterben Christi.

Zunächst macht der Apostel deutlich, dass das Leiden Christi etwas mit
unserem menschlichen Leben und Ergehen zu tun hat. Die Qualen, die Jesus tragen
musste, verbinden ihn mit der Erfahrung vieler Mensch. In Christus ist Gott
selbst Mensch geworden und hat unser Leben in allen Bereichen mit uns geteilt.
Auch vor dem bitteren Ende schreckte er nicht zurück, sondern ließ die
Folterungen und die Hinrichtung geschehen. Nichts Menschliches ist Christus,
dem Sohn Gottes, fremd geblieben, so dass er unsere Sorgen und Ängste, Nöte und
Qualen bis in die Tiefe hinein verstehen kann.

Für Paulus hat dieser Gedanke die Konsequenz, dass der Gott, der alle
Tiefen des menschlichen Scheiterns mit uns geteilt hat, derjenige ist, dem wir
uns gerade in den dunklen Stunden unseres Lebens anvertrauen können. Gerade in
den Momenten, in denen wir uns von aller Welt verlassen und in unseren Sorgen
einsam fühlen, ist Gott, der Vater Jesu Christi, uns nah. Bei ihm finden wir
ein offenes Ohr; er kann uns mit unseren innersten Gefühlen verstehen, weil er
die Tiefen des Lebens mit uns geteilt hat. Er bietet uns seine Hand an, an die
wir uns klammern können, wenn nichts anderes uns mehr Halt zu geben vermag. Er
gibt uns das Gefühl der Geborgenheit mitten in den Stürmen des Lebens, so dass
wir uns getröstet den Herausforderungen unseres Lebens stellen können.

So werden wir getröstet und können andere trösten. Denn wir
verkündigen und hören die frohe Botschaft von Jesus Christus. Liebevoll gehen
wir in der Gemeinde miteinander um. Hören aufeinander, fragen nacheinander,
reden miteinander. Wir lassen Raum für die Klage, damit Menschen gegen Gott zu
Gott rufen können. Das Leiden, das viele Menschen erleben, braucht diese
Möglichkeit. Das Leid auch in unserer Gemeinde ist wahrscheinlich größer, als
wir ahnen. Körperliche Einschränkungen, die Angst vor der todbringenden
Krankheit; die ständige Pflege eines hilfsbedürftigen Menschen; die unerklärliche
Traurigkeit, die Sprachlosigkeit in Ehen, die Zweifel im Glauben, die
Überforderung durch Beruf und Familie.

Wer sich auf Menschen einlässt, wird immer auch anfangen, ihr Leid
aufzuspüren. Aber genau darin liegt der Weg zum Trost. Er führt uns zueinander.
Er bindet uns als Gemeinde aneinander. Und wir werden so etwas wie eine
Trostgemeinschaft. Wir gehen hin und besuchen Menschen im Krankenhaus. Halten
es aus, dass niemand sagen kann, wie es weiter geht und ob irgendetwas wieder
gut wird. Wir gehen zu Beerdigungen, gehen mit ans Grab, reichen Angehörigen
die Hand und wissen nicht, was wir sagen sollen. Sind einfach nur da. Wir
weichen nicht aus, wir lassen Trauernde nicht allein. So haben wir teil am
Leiden Christi. Und werden an den einzigen Ort geführt, wo uns Ermutigung von
Grund auf geschenkt wird.

Paulus war in größte Bedrängnis geraten; er dachte, sterben zu müssen.
Aber Gott erhielt ihm das Leben. Andere kommen nicht wieder zurück. Und gehen
den Weg, den Jesus gegangen ist: in den Tod.

Im Vertrauen darauf, es ist nicht das Ende. Der gekreuzigt wurde, ist
auferstanden. Darin liegt die Kraft von Gottes Trost. Wir werden befreit, vor
Leiden und aus Konflikten davonzulaufen oder dem Wunschbild unangefochtenen
Glaubens hinterherrennen zu wollen.

In Bedrängnis schenkt Gott Trost; in Verzweiflung Mut, in Schwachheit
Kraft, in Schuld Vergebung, im Tod das Leben.

So werden wir getröstet von Gott und mit Hoffnung beschenkt: „wie ihr
an den Leiden teilhabt, so werdet ihr auch am Trost teilhaben“.

AMEN

(Jürgen Stolze)